Warum Waldwiesel und warum wir vom Konzept Waldkindergarten überzeugt sind
Pädagogik
Wir legen besonderen Wert darauf, dass jedes Kind seine Aktivitäten über den Tagesverlauf frei wählen kann. Die Kinder werden mit ihren Wünschen, Vorstellungen und Meinungen ernst genommen. Als Erwachsene sehen wir uns als Ermöglicher und geben wir den individuellen Spielimpulsen einen sicheren Rahmen oder – falls nötig – begleiten die Kinder hin zu „ihrem“ freien Spiel. Durch unseren hohen Betreuungsschlüssel (Erwachsene pro Kinderanzahl) können so die Interessen und Entwicklungsfenster der einzelnen Kinder bestmöglich gefördert werden. Indem wir die Autonomie der Kinder stärken und ihre selbstgetroffenen Entscheidungen wertschätzen, erfahren sich die Kinder von Anfang an als wertvolle, fähige Wesen die ihre Umwelt gestalten können.
Soziale Beziehungen und Konfliktbewältigung
Wir sind der Meinung, dass es für Kinder von äußerster Wichtigkeit ist, dass sie die Möglichkeit haben mit Gleichaltrigen zu spielen. Kinder erfahren dadurch sich in der Gruppe einzufinden, sich durchzusetzen, abzugrenzen, einander zu helfen und Verantwortung für das eigene Handlen zu übernehmen. Da die Kinder im Wald kein vorgefertigtes Spielzeug vorfinden, sind sie angeregt sich selbst über die Bedeutung derer Gedanken zu machen und sich mit anderen Kindern darüber auszutauschen. Dies führt zu einer verstärkten Integration in der Gruppe, zur Kompetenz Konflikte lösen zu können und intensiviert Freundschaften.
Sprache und Kommunikation
In der Natur treffen Kinder auf vielfältige und unvorhersehbare Situationen. Diese anregungsreiche Umgebung erfordert komplexe sprachliche Ausdrucksformen und einen großen Wortschatz, da die Kinder die fremde Umgebung beschreiben wollen. So wird im Spiel oder bei anderen gemeinsamen Aktivitäten in der Natur die Entwicklung der Sprachkompetenz gefördert.
Unser hoher Betreuungsschlüssel ermöglicht außerdem viel Zeit für den Dialog zwischen BetreuuerInnen und Kindern. Auch Konflikte begleiten wir unter anderem dadurch, dass wir den Kindern helfen, ihre Gefühle und Eindrücke in Worte zu fassen.
Als Erwachsene sind wir für die Kinder Sprachvorbild – auch für komplexere Satzgefüge – wie sie zum Beispiel in der täglichen, frei erfundenen Abschlussgeschichte vorkommen. Wir reflektieren und verbesseren unser Sprach- und Kommunikationsverhalten in unseren wöchentlichen Reflexionen im Team.
Bewegung und Gesundheit
Der Wald, die Natur ist ein perfekter Lernort für eine ganzheitliche, gesunde Entwicklung des Kindes. Eine Fülle von Bewegungsmöglichkeiten und Sinneseindrücken bieten vielfältige, adäquate Lernerfahrungen. Bewegung fördert die geistige, psychische und physische Entwicklung der Kinder. In unserer zivilisierten Gesellschaft machen viele technische Hilfsmittel das Leben zwar einfacher, aber auch bewegungsärmer, was sich im Gesundheitszustand der Kinder widerspiegelt.
Maria Montessori fordert: „Die Erziehung muss das laufende Kind als einen Forscher betrachten. Alle Kinder müssen so laufen, geführt von dem, was sie anzieht. Dieses Prinzip müsste vor allem heute in die Erziehung einbezogen werden, da die Menschen so wenig laufen, sondern sich von vielerlei Fahrzeugen transportieren lassen. Es ist nicht gut das Leben in zwei Teile zu teilen, indem man die Glieder mit dem Sport und den Kopf mit dem Lesen eines Buches beschäftigt. Das Leben muss ein einziges sein, vor allem in den ersten Jahren, wenn das Kind sich selbst nach dem Plan und den Gesetzen seiner Entwicklung schaffen muss.“ (M. Montessori: „Das kreative Kind“).
Bewegung ist bei jungen Kindern der Motor aller weiteren Lernleistungen. Eingebettet in ihre selbstgewählten Bewegungsformen findet „Lernen“ auf dem Weg „so nebenbei“ statt.
Die Kinder können selbstbestimmt den nächsten Schritt tun, im eigenen Tempo unterwegs sein und somit mit sich im Gleichgewicht sein. Dies bezieht sich auf die körperliche, wie auch auf die seelische Ebene. Dadurch ist auch die Entwicklung des Sich-Selbst-Bewusst-Seins gegeben.
Selbstbewusstsein ist die Grundlage für Selbstvertrauen und Selbstverantwortung. Kleinkinder sind gerne forschend unterwegs. Es gehört zu ihren Grundbedürfnissen, sich in der Natur zu bewegen, alles, was ihnen in den Weg kommt, ausgiebig zu betrachten, zu berühren, um so Schritt für Schritt die Umgebung zu erforschen. Zudem sind Kinder mit ihrer geringen Körpergröße dem Boden nahe genug, um alles, was sich dort befindet oder bewegt, wahrzunehmen.
Durch Bewegung erforschen und erobern Kinder ihre Umwelt, erfahren sich als selbstwirksam und werden dazu motiviert, sich weiteren Herausforderungen zu stellen.
Eine positive Grundeinstellung zum eigenen Körper und das Wissen über präventive Maßnahmen zur Gesunderhaltung unterstützen Kinder dabei, selbstbestimmt Verantwortung für ihren Körper und ihre Wohlbefinden zu übernehmen. Im Wald lernen dies die Kinder beispielsweise dadurch, dass sie Temperaturschwankungen, Änderung der Windstärke und der Luftfeuchtigkeit, sowie Veränderungen der Sonneneinstrahlung mit ihren Sinnen wahrnehmen und ihre Kleidung dementsprechend anzupassen um sich wohlzufühlen.
Regelmäßige Aufenthalte mit den Kindern in der Natur sind gelebte Gesundheitsförderung.
Im Buch Startkapital Natur werden zahlreiche Studien angeführt, die belegen, dass das Immunsystem der Kinder gestärkt wird, positive Effekte bei Kindern mit ADHS auftreten und sie mehr Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse entwickeln. Weiters hat die Natur einen positiven Einfluss auf das Körpergewicht und wirkt Stress reduzierend. Der regelmäßige Besuch des Waldes hat bei belastenden Lebensereignissen eine Pufferfunktion.
Ästhetik und Gestaltung
Ästhetische Impressionen sind von Geburt an Teil der kindlichen Weltentdeckung und spielen auch in Alltagssituationen eine zentrale Rolle. Ästhetische Wahrnehmungen basieren auf sinnlichen Eindrücken, die Kinder auf subjektive Weise verarbeiten. Eigene künstlerische Gestaltungsprozesse unterstützen Kinder dabei, die Komplexität ihrer Wahrnehmung zu strukturieren und ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen.
Im Wald wird der Sinn der Kinder für das Schöne und Einzigartige der Natur geschärft. Denn wo kann der Sinn für Ästhetik besser erwachen, als in der freien Natur? Täglich können die Kinder über die Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt staunen, über Tautropfen, Schneeflocken und außergewöhnlich geformte Wolken.
Das Spiel in der Natur ist kreativ. Kinder, die in der Natur spielen, tun dies mit viel Fantasie. Sie beziehen Dinge ihrer Umgebung erfinderisch in ihr Spiel ein, beschäftigen sich intensiv mit Rollenspielen und entwickeln phantasievolle Spielwelten. Hinter ihren Handlungen stecken komplexe Abläufe und Spielmuster. Zentrales Element ästhetischer Bildung ist das Erfassen, Erkennen, Untersuchen, Erforschen und Begreifen von Natur, Umwelt, Kosmos, Menschen, Tieren, Materialien und Objekten des Alltags mit allen Sinnen.
Naturmaterial besitzt großen Aufforderungscharakter zu kreativem Spiel und ist kostenfrei in fast unbegrenzten Mengen zu finden. Die Natur besitzt eine Unmenge an Formen und Farben, deren Ästhetik Kinder sehr anspricht.
Ein wichtiges Konzept zur Förderung von Kreativität und ästhetischer Bildung beim Kind setzt an der Begegnung mit ästhetischem Material an und bettet diese Auseinandersetzung mit dem Material in soziale Interaktion ein.
Die unterschiedlichsten Naturmaterialien lassen sich gut auf vielfältige Weise bearbeiten. Die Arbeit mit Holz bietet sich besonders an. Das Schnitzen z.B. fördert wichtige Kompetenzen, wie Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer, Feinmotorik und Koordination, die muskuläre Entwicklung der Hände, Wahrnehmung für die Beschaffenheit des Werkstoffes Formgefühl, Kreativität und Fantasie, das Selbstbewusstsein etwas schaffen zu können, das schön und nützlich ist, die Sicherheit im Umgang mit potentiell gefährlichen Gegenständen und die Verantwortung für das eigene Handeln.
Beim Arbeiten mit Erde und Lehm können ganz ursprüngliche Erfahrungen gemacht werden, wie ganz eng im Kontakt mit “Mutter Erde” zu sein. Aufgrund der Entfremdung der von der Natur und elementaren sinnlichen Naturerfahrungen, sowie einer übertriebenen Reinlichkeitserziehung, bereitet die Arbeit mit Urmaterialien nicht allen Kindern gleichermaßen viel spontane Freude. Meist hilft es, den Kindern Zeit zu lassen für eine Annäherung an dieses vielfältige, sinnliche Material. Vertiefen sich Kinder in den Schaffensprozess mit Lehm, zeigen sie ungeahntes Durchhaltevermögen und Konzentration. Mit Lehm können keine Fehler gemacht werden und es kann immer wieder von vorn begonnen werden. Das ist sehr ermutigend und motivierend. Mit der sich entwickelnden Handmotorik beim scheinbar ziellosen Kneten und Matschen werden im Gehirn die kinästhetische Wahrnehmung und das erste Formerleben angeregt. Mit Lehm zu arbeiten spricht alle Wahrnehmungssinne an und gibt Impulse für differenzierte Körperlichkeit und verschiedene Gefühle. Durch rhythmisches Bearbeiten (Kreis-, Roll-, Klopfbewegung) entstehen in den Kinderhänden schnell regelmäßige Formen (Kugel, Rolle, Kachel). Jede Berührung hinterlässt sofort Spuren im Lehm, was zu vielfältigen Ideen anregt.
Viele Kinder mit Störungen in der Wahrnehmung und in der Motorik werden durch diese Beschäftigung mit diesem Material gefördert. Das Fördern der Handmotorik ist auch wichtig für die Sprachentwicklung, da beide Bereiche sich im Gehirn beeinflussen.
Natur und Technik
Kinder zeigen ein hohes Interesse an allen Phänomenen in der Natur. Sie wollen herausfinden, was es ist, wie und warum es funktioniert. Sie stellen eigene Hypothesen auf und hinterfragen sie. Veränderungen können von den Kindern in ihrer Umwelt beobachtet werden. Die Wahrnehmung für die kleinen Details wird zunehmend geschärft. Beim Bauen und Konstruieren erfinden und erfahren
die Kinder auf spielerischer Art Hebel, Rad, Waage, schiefe Ebenen, Katapulte usw. Außerdem erleben sie physikalische Phänomene und die Naturgesetze durch die eigene Erfahrung und das eigene Experimentieren.
Ethik und Gesellschaft
Diversität wird im Team als Bereicherung für die Gruppe gesehen. Auf eine vorurteilsbewusste Pädagogik und Kommunikation legen wir großen Wert.